this time German only, - I guess you need to know the quarter... sorry
Meine liebe Patentante wohnt in München-Solln. Mein
Hausarzt hat dort seine Praxis. Meine Autowerkstatt befindet bzw. befand sich
in München-Sendling, welches an Solln angrenzt, und ein Freund von mir hat dort
gewohnt. Aufgrund dieser Begebenheiten bin/war ich also öfter in diesem
Stadtviertel. Aus meiner Sicht lässt sich im Großen und Ganzen nicht viel
aussetzen an Solln. Es hat seine Vorteile (für mich), - die da wären: ein
Bäcker, der einen hervorragenden Mandel-Schoko-Kuchen macht, ein gut sortiertes
Öko-Gemüsegeschäft, überhaupt viele kleinere Läden aller Art und natürlich, -
wie schon erwähnt, die Arztpraxis mit einem wunderschönen Wartezimmer im
Jugendstil…ach ja, und ein gut geführtes Krankenhaus. Das Viertel ist gepflegt,
mit viel Grün und netten Häuschen von kleinerer und größerer Dimension. Auch im
angrenzenden Sendling habe ich mittlerweile einige Anlaufstellen aus dem
Einzelhandel gefunden, die einen Abstecher wert sind…aber ich bleibe mal bei
Solln und seinen doch recht speziellen Einwohnern:
Es gibt überdurchschnittlich viele Senioren. Man sieht
häufig rüstige alte Damen, in teure Gewänder gehüllt, die auf den ersten Blick
recht freundlich wirken, sodaß man Lust bekommt sich mit ihnen zu unterhalten.
Dies habe ich dann auch versucht, - im Wartezimmer der Arztpraxis, beim
örtlichen Kassenautomaten am Parkplatz, beim Bäcker, quasi „über den
Gartenzaun“ bei kurzen Spaziergängen. Dabei musste ich leider feststellen, dass
sie meist zwar höflich, aber eben doch nicht wirklich freundlich waren und eher
reserviert, ablehnend und unnahbar reagiert haben, als würden sie sowohl mich,
als auch den ganzen Vorgang höchst seltsam finden. Möglicher Weise traf ich
nicht den „richtigen Ton“ und sie merkten, dass ich nicht dazu gehöre.
Möglicher Weise waren sie nur überrascht, weil etwas derartiges nur selten
passiert, in Solln. Das stört mich nicht zu sehr. Aber das ich beim Bäcker
ignoriert werde wenn ich nicht in die Offensive gehe, weil ich nicht zum „Hood“
gehöre, schon.
Alles dauert in diesem Stadtviertel länger, ist
langsamer…so auch die Autofahrer, die sich durch kompromisslose Sturheit auszeichnen,
die bisweilen in entschlossene Aggressivität umschlägt. Da gibt es
Linksabbieger, die an der Nadelöhr-Kreuzung beim „Alten Wirt“ keinen Zentimeter
vorfahren, damit die sich stauende Autoschlange rechts an ihnen vorbei
geradeaus fahren könnte… Aber wenn sie mal im Fahren sind wollen sie offenbar
auch keinen Meter Grund an irgendjemand anderen verlieren. Dazu zwei Vorfälle:
als ich selbst aus einem Parkplatz nach links in die Wolfratshausener Str.
einbiegen wollte, wollte mich niemand rein, - bzw. die Strasse kreuzen lassen.
Schließlich kam auf der gegenüber liegenden Seite keiner mehr und ein BMW-SUV
war noch ziemlich weit weg, er hätte nur sein bisheriges (langsames) Tempo
beibehalten brauchen…also bin ich los gefahren, um endlich abzubiegen. In
diesem Moment hupt der Fahrer und gibt doch tatsächlich Gas!... Grund Gütiger!
Wäre ich nur ein bisschen zu langsam abgebogen oder hätte gezögert, wäre er mir
unweigerlich in die Fahrerseite gefahren…!? Beim zweiten Mal war es fast
dasselbe, nur das dieser nicht beschleunigt hat, aber er hat genauso lange und
empört gehupt. Ich habe inzwischen gelernt, - an dieser Stelle gibt es nur eine
Möglichkeit aus dem Parkplatz raus zu kommen: schnell aussteigen und die
Fußgänger-Ampel drücken, wieder ins Auto springen, anschnallen, abbiegen. Uff!
Jaa, - sie lassen sich ihr Recht, - auch das auf Langsamkeit, nicht nehmen. Auf
gar keinen Fall.
Diese Auto-Fahrer-Langsamkeit findet man auch in den
Geschäften wieder, in der Post, dem Supermarkt. Es ist eine höfliche aber
unverschiebbare, kompromisslose Langsamkeit, der man sich ergeben muss, möchte
man nicht zum Nervenbündel werden, entnervt auf die Kuchentheke trommelnd…oder
als Verkehrsopfer enden.
Dann gibt es da noch einen Typus: meist perfekt
durchgestylte jüngere Frauen, - manchmal mit dazu passenden männlichen
Begleiter. Auch die sind auf ihre Art langsam, - oh ja! Zum Beispiel beim
Bestellen einer Torte. Als ich diesem Vorgang in der mittlerweile leider
geschlossenen Konditorei „Kustermann“ beiwohnen musste, hatte ich danach das
Gefühl diese Torte zur Welt gebracht zu haben. Ich merkte wie meine Handflächen
zu schwitzen begannen, als wir uns quasi zu dritt durch mehrere Möglichkeiten
der Himbeer-Gelee Herstellung kämpften. Wie meine Fußspitze sich trommelnd
verselbstständigte, als man anschließend einen genauen Durchmesser sowie eine
Höhe der Torte ermitteln musste. Dann, als nach weiteren, endlosen Minuten
schließlich der einzig mögliche Zeitpunkt der Tortenabholung festgelegt war und
gerade mein rechtes Augenlid zu zucken begonnen hatte, kam, - oh Wunder, eine
zweite Verkäuferin hinzu und ich konnte sie endlich bestellen, meine „normale
Semmel“… Erleichtert ausatmend wich ein ungeheurer Druck, einem Dampfkessel
gleich aus meinem Haupt und für einen Moment schien ich ein paar Zentimeter
über dem Boden zu schweben, als sich die Ladentür hinter mir und meiner Semmel
schloss. Ich war für ein paar Augenblicke eingebettet in die Watte der einzig
wahren, - der Sollner Langsamkeit. Alles würde gut werden, - die Torte war bestellt
und meine Semmel konnte gegessen werden, - endlich. Niemals durfte man die
Wichtigkeit einer Himbeer-Gelee-Torte unterschätzen!
An diesem Abend ging ich früh zu Bett. Ich fühlte mich
als hätte ich an einem Marathon-Lauf teilgenommen.
Seither plane ich immer mindestens eine Stunde mehr
ein wenn ich einen Termin in Solln wahrnehme…
J
BerylliumN
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