Freitag, 6. Juli 2018

N° 22 München - Solln

this time German only, - I guess you need to know the quarter... sorry


 

Meine liebe Patentante wohnt in München-Solln. Mein Hausarzt hat dort seine Praxis. Meine Autowerkstatt befindet bzw. befand sich in München-Sendling, welches an Solln angrenzt, und ein Freund von mir hat dort gewohnt. Aufgrund dieser Begebenheiten bin/war ich also öfter in diesem Stadtviertel. Aus meiner Sicht lässt sich im Großen und Ganzen nicht viel aussetzen an Solln. Es hat seine Vorteile (für mich), - die da wären: ein Bäcker, der einen hervorragenden Mandel-Schoko-Kuchen macht, ein gut sortiertes Öko-Gemüsegeschäft, überhaupt viele kleinere Läden aller Art und natürlich, - wie schon erwähnt, die Arztpraxis mit einem wunderschönen Wartezimmer im Jugendstil…ach ja, und ein gut geführtes Krankenhaus. Das Viertel ist gepflegt, mit viel Grün und netten Häuschen von kleinerer und größerer Dimension. Auch im angrenzenden Sendling habe ich mittlerweile einige Anlaufstellen aus dem Einzelhandel gefunden, die einen Abstecher wert sind…aber ich bleibe mal bei Solln und seinen doch recht speziellen Einwohnern:

 
Es gibt überdurchschnittlich viele Senioren. Man sieht häufig rüstige alte Damen, in teure Gewänder gehüllt, die auf den ersten Blick recht freundlich wirken, sodaß man Lust bekommt sich mit ihnen zu unterhalten. Dies habe ich dann auch versucht, - im Wartezimmer der Arztpraxis, beim örtlichen Kassenautomaten am Parkplatz, beim Bäcker, quasi „über den Gartenzaun“ bei kurzen Spaziergängen. Dabei musste ich leider feststellen, dass sie meist zwar höflich, aber eben doch nicht wirklich freundlich waren und eher reserviert, ablehnend und unnahbar reagiert haben, als würden sie sowohl mich, als auch den ganzen Vorgang höchst seltsam finden. Möglicher Weise traf ich nicht den „richtigen Ton“ und sie merkten, dass ich nicht dazu gehöre. Möglicher Weise waren sie nur überrascht, weil etwas derartiges nur selten passiert, in Solln. Das stört mich nicht zu sehr. Aber das ich beim Bäcker ignoriert werde wenn ich nicht in die Offensive gehe, weil ich nicht zum „Hood“ gehöre, schon.

 
Alles dauert in diesem Stadtviertel länger, ist langsamer…so auch die Autofahrer, die sich durch kompromisslose Sturheit auszeichnen, die bisweilen in entschlossene Aggressivität umschlägt. Da gibt es Linksabbieger, die an der Nadelöhr-Kreuzung beim „Alten Wirt“ keinen Zentimeter vorfahren, damit die sich stauende Autoschlange rechts an ihnen vorbei geradeaus fahren könnte… Aber wenn sie mal im Fahren sind wollen sie offenbar auch keinen Meter Grund an irgendjemand anderen verlieren. Dazu zwei Vorfälle: als ich selbst aus einem Parkplatz nach links in die Wolfratshausener Str. einbiegen wollte, wollte mich niemand rein, - bzw. die Strasse kreuzen lassen. Schließlich kam auf der gegenüber liegenden Seite keiner mehr und ein BMW-SUV war noch ziemlich weit weg, er hätte nur sein bisheriges (langsames) Tempo beibehalten brauchen…also bin ich los gefahren, um endlich abzubiegen. In diesem Moment hupt der Fahrer und gibt doch tatsächlich Gas!... Grund Gütiger! Wäre ich nur ein bisschen zu langsam abgebogen oder hätte gezögert, wäre er mir unweigerlich in die Fahrerseite gefahren…!? Beim zweiten Mal war es fast dasselbe, nur das dieser nicht beschleunigt hat, aber er hat genauso lange und empört gehupt. Ich habe inzwischen gelernt, - an dieser Stelle gibt es nur eine Möglichkeit aus dem Parkplatz raus zu kommen: schnell aussteigen und die Fußgänger-Ampel drücken, wieder ins Auto springen, anschnallen, abbiegen. Uff! Jaa, - sie lassen sich ihr Recht, - auch das auf Langsamkeit, nicht nehmen. Auf gar keinen Fall.

 
Diese Auto-Fahrer-Langsamkeit findet man auch in den Geschäften wieder, in der Post, dem Supermarkt. Es ist eine höfliche aber unverschiebbare, kompromisslose Langsamkeit, der man sich ergeben muss, möchte man nicht zum Nervenbündel werden, entnervt auf die Kuchentheke trommelnd…oder als Verkehrsopfer enden.

 
Dann gibt es da noch einen Typus: meist perfekt durchgestylte jüngere Frauen, - manchmal mit dazu passenden männlichen Begleiter. Auch die sind auf ihre Art langsam, - oh ja! Zum Beispiel beim Bestellen einer Torte. Als ich diesem Vorgang in der mittlerweile leider geschlossenen Konditorei „Kustermann“ beiwohnen musste, hatte ich danach das Gefühl diese Torte zur Welt gebracht zu haben. Ich merkte wie meine Handflächen zu schwitzen begannen, als wir uns quasi zu dritt durch mehrere Möglichkeiten der Himbeer-Gelee Herstellung kämpften. Wie meine Fußspitze sich trommelnd verselbstständigte, als man anschließend einen genauen Durchmesser sowie eine Höhe der Torte ermitteln musste. Dann, als nach weiteren, endlosen Minuten schließlich der einzig mögliche Zeitpunkt der Tortenabholung festgelegt war und gerade mein rechtes Augenlid zu zucken begonnen hatte, kam, - oh Wunder, eine zweite Verkäuferin hinzu und ich konnte sie endlich bestellen, meine „normale Semmel“… Erleichtert ausatmend wich ein ungeheurer Druck, einem Dampfkessel gleich aus meinem Haupt und für einen Moment schien ich ein paar Zentimeter über dem Boden zu schweben, als sich die Ladentür hinter mir und meiner Semmel schloss. Ich war für ein paar Augenblicke eingebettet in die Watte der einzig wahren, - der Sollner Langsamkeit. Alles würde gut werden, - die Torte war bestellt und meine Semmel konnte gegessen werden, - endlich. Niemals durfte man die Wichtigkeit einer Himbeer-Gelee-Torte unterschätzen!

 
An diesem Abend ging ich früh zu Bett. Ich fühlte mich als hätte ich an einem Marathon-Lauf teilgenommen.

 
Seither plane ich immer mindestens eine Stunde mehr ein wenn ich einen Termin in Solln wahrnehme…  J

 

BerylliumN
 
 
 
 
 
 

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