Montag, 23. Juli 2018

N° 23 Humanmedizin // I Wish I Was a Cow

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Als ehemaliger, langjähriger Pferdebesitzer kann ich aus Erfahrung folgendes sagen: wenn man als Großtierhalter einen Veterinär braucht, weil das Tier ernsthaft krank ist, beispielsweise Schmerzen hat oder sonst wie leidet, ruft man bei seinem Tierarzt an und dieser kommt sobald als möglich persönlich vorbei. Auch wenn es nach 16 Uhr ist, oder mitten in der Nacht. Darauf kann man sich verlassen. Er kommt auch an Wochenenden oder Feiertagen, am Sonntag in der Nacht, um 3 Uhr morgens, - egal wann. Hat der Tierarzt einmal Urlaub, ist selbst krank oder sonst wie verhindert, kommt eine ebenso kompetente Vertretung. Auch darauf kann man sich verlassen.

 
Sollten die Mittel und Gerätschaften vor Ort einmal nicht ausreichen um das Tier angemessen behandeln zu können, erfolgt eine Überweisung in eine Tierklinik. Abgesehen vom Transport, um den man sich selber kümmern muß, verläuft die Einlieferung und Übernahme des tierischen Patienten dort problemlos und mit Umsicht. Und auch in der Veterinär-Klinik trifft man auf professionelles, ansprechbares Personal das sich zuständig fühlt, - vom Tierarzt bis zum Pfleger. Je nach Dringlichkeit des Falles wird sich zur Not auch rund um die Uhr zügig und zeitnah um eine umfassende Diagnose und anschließende Behandlungsmethode bemüht.

 
Ganz anders verhält es sich wenn man ein Mensch ist. Wird man nach 16h oder maximal 18h krank oder in der Nacht, hat man ein Problem. Noch schlimmer an Wochenenden, Feiertagen, während Schulferien, oder gar um die Weihnachtszeit, quasi „zwischen den Jahren“! Es sei denn, es ist akut und direkt lebensbedrohlich… Allerdings kann man als Mensch auch sehr leiden ohne dass es absolut lebensbedrohlich ist. Dazu kommt dass es mitunter sehr wichtig sein kann rechtzeitig und ohne Verzögerung eine möglichst präzise Diagnose zu stellen. Gegebenenfalls muß man dafür spezialisierte Fach-Ärzte (z.B. Orthopäden, Neurologen) hinzuziehen. So könnte Leiden verkürzt werden. So könnten negative Entwicklungen am effektivsten aufgehalten werden. Jeder, der beispielsweise schon einmal so richtige Zahnschmerzen hatte, einen Bandscheiben-Vorfall oder Migräne weiß wie lang auch nur eine Stunde sein kann, geschweige denn 48 Stunden oder sogar über 60 Stunden, - wenn es sich um ein ganzes Wochenende bis zum Montag  Morgen handelt.

Jetzt könnte man natürlich sagen: „Wenn man erst mal Schmerzmittel gegeben hat kann es ja nicht mehr so schlimm sein. Geht doch mal für zweieinhalb Tage!“ Tja, aber wenn die Schmerzmittel nicht wirken? Oder wenn niemand da ist, der kompetent und erfahren genug ist um das passende Schmerzmittel herauszufinden? Oder wenn die jeweiligen Mittel nicht vertragen werden und schwere Nebenwirkungen auftreten, die wohlmöglich die noch ausstehende Diagnose verschleiern? Was dann?

 
Es ist doch geradezu paradox: in der industriellen Fertigung und/oder Produktion bekommt man ganz professionell durch und durch kompetente 24 Stunden Besetzungen hin. Wenn es sein muß sogar 7 Tage die Woche. Es wird sorgsam darauf geachtet, dass teure Maschinen ausgelastet sind und nicht stillstehen, dass Material nicht abkühlt usw., aber in Krankenhäusern oder überhaupt bei human-medizinischer Versorgung, wo es um Leib und Leben und auch um Leiden geht, ist das nicht möglich?!

Abgesehen von ethischen Gründen stehen auch dort teure Diagnose-Geräte still (Radiologie etc) und Laboratorien samt teurer Ausstattung bleiben ungenutzt.

 
Bei entsprechender angemessener Bezahlung gäbe es sicher genügend Mediziner und Labor-Fachkräfte die zu einem turnusmäßigen 24 Stunden Dienst bereit wären der über ein minimalistisches Notfall-Programm hinausgeht. Am besten man beteiligt den oben genannten Personenkreis an der Ausarbeitung eines für alle (Ärzte, Pflegepersonal, Labor-Fachkräfte und Patienten) zufrieden stellenden Dienstplan-Konzeptes.

Es kann doch nicht sein, dass so viele Menschen so unheimlich viel Geld in Krankenkassen einzahlen, regelmäßig und über lange Zeiträume und dann nach ca. 16h (im Krankenhaus) und nach ca. 18h (in Arztpraxen) nicht mehr angemessen versorgt werden können weil niemand mehr da ist. Es handelt sich bei diesem Sachverhalt nicht um den Versuch nach Ladenschluss noch Butter zu kaufen, sondern um Krankheit und Leiden…Aber halt! – Supermärkte sind immerhin bis 20h voll besetzt!

 
Wäre das nicht ein Gebiet wo es noch sehr viel Potential für die Schaffung neuer Arbeitsplätze gäbe? Außerdem würde es sich lohnen Steuergelder in solch ein Modell zu investieren, denn eine gute medizinische Versorgung liegt schließlich im Interesse aller Steuerzahler. Man mag jetzt argumentieren, dass die Gesundheitsversorgung in Deutschland doch hervorragend sei im Vergleich zu anderen Ländern… Ich denke aber, dass so eine Argumentation einen nur davon abhält selber zum Maßstab und Vorbild für eine erstklassige Versorgung zu werden.

 
Ist es nicht so, dass mit steigender Beschäftigung auch die Steuer - und Sozial Einnahmen des Staates steigen? Und ist es nicht so, dass jeder der einmal schwer krank war, oder dessen Angehörige einmal schwer krank war, selber gerne eine kompetente medizinische Versorgung hätte?

 
Momentan sieht es aber leider so aus, dass man schnellere und intensivere medizinische Betreuung bekommt wenn man einen Veterinär an seiner Seite hat, wenn man also eine wertvolle Milchkuh oder ein teures Sportpferd ist. In diesem Sektor scheint bekannt zu sein, dass sich Krankheiten nicht nach Werktagen und Feierabendzeiten richten und auch keine Rücksicht auf Sonn – und Feiertage nehmen. L

 

Bleibt gesund!
 
 
BerylliumN
 
 
 
 
 
N° 23  I wish I was a cow, or: Human Medicine
 
 
 
As a once long-time horse owner, I can gladly report the following: if you phone your vet because your animal is seriously ill and/or in pain, you can be sure he will come. You can rely on him showing up in person as soon as possible, regardless of the time of day, - he will attend to the suffering animal after 4 p.m., on weekends, holidays, during the night... If he/she is prevented for any reason there will be a substitute as skilled as he/she is. You can also rely on that.
 
Should his equippment not suffice for adequate treatment, a hospitalisation will be induced. Once you transported your animal to the vet-hospital, the professionals there take over and, - also regardless of the time of day (or night), the patient will be treated with great care and concern from everybody involved, from the doctor himself to assistants to nursing stuff. A little side-note: the expences aren’t as exorbitant as one might fear...
 
On the other hand...if you happen to be human, things appear to be quite different. If you get ill after about 6 p.m. you’ll surely have a problem. Even more so if this misfortune happens to you on a Friday evening, a weekend, a holiday, during school holidays or around x-mas time (in between years). Gosh! You will  be so doomed! Unless of course your situation is acutely life-threating.
But everybody knows we can suffer a lot without our lives being in immediate danger. In addition to that it could make a significant difference to the course of disease if you get a precise and prompt diagnosis. In order to achieve that, might be necessary to consult competent specialists (e.g neurologist, orthopaedist, etc.). If this was done as soon as possible negative developments could be avoided, affliction could be minimised or at least abbreviated... Think about it. Everbody who ever had serious toothache, headache, or a slipped disc knows how long even a single hour can be, let alone 24h, or maybe over 60 hours from Friday evening to Monday morning! Of course one could argue now: once the patient got some painkiller it’s not too bad anymore, it should do for 2 days. Well, but if the painkillers don’t have enough effect? What if there’s nobody there who is sufficiently competent to choose the appropriate drugs? Or if severe side effects occur who might obscure the diagnosis which is not yet made? What then?
 
I think it is bizarre that in industrial production lines it should be possible to have a professional 24 hours working process with 3-shift-turns, if need be even 7 days a week, for example to make sure some expensive material wouldn’t cool down to much or to use expensive machinery to capacity. But in health care where there is life quality and suffering at stake, that is not possible?!
Apart from ethic reasons there is also expensive machinery standing still (radiology etc.) and lab-equipment left unused.
 
There should be enough health professionals and laboratory workers who are willing to work under shift – rotating conditions if they are appropriatly payed. And I do not mean  minimalistic emergency case procedures! It certainly would be best to include the whole medical staff, from physician to nurse, to lab-assistant in the process of defining optimal working conditions for everyone (patients and again: physicians, nurses, laboratory staff).
It is unbelievable that so many people should pay so much money in health insurances over long periods of their lives and then can’t get adequate medical treatment after 4 p.m. (in hospitals) or around 6 p.m. (in surgery). After all it’s not the same issue as trying to buy fresh milk after shop closing time...but hang on! Supermarkets are open until 8 p.m...! With staff and all...yeah!
 
Isn’t there a lot of potential in it to create new employment? Wouldn’t it be a good idea to invest public money where it actually serves the public (health)? One might argue that medical care is in a very good state in Germany compared to other countries. But I think this attitude only keeps us from striving to become a brandmark for first class medical care and maybe setting new standards.
 
Anyway, isn’t it so, that by raising employment there will be more money coming in on taxes and social insurances? And isn’t it so, that everybody who once has been severely ill, or everybody who’s beloved family-member has been severely ill knows how very important professional and accessible health care can become?
 
Well, in the moment you seem to be more fortunate if you have a veterinary on your side, if you are a valuable dairy cow or a precious race horse. In these parts it seems to be a well known fact that illness does not know opening hours, a 9h to 5h week, holidays, weekends, school-holidays or x-mas times...  L
 
Stay well!
 
 
BerylliumN
 
 
 
 
 
 

    

      

 







Freitag, 6. Juli 2018

N° 22 München - Solln

this time German only, - I guess you need to know the quarter... sorry


 

Meine liebe Patentante wohnt in München-Solln. Mein Hausarzt hat dort seine Praxis. Meine Autowerkstatt befindet bzw. befand sich in München-Sendling, welches an Solln angrenzt, und ein Freund von mir hat dort gewohnt. Aufgrund dieser Begebenheiten bin/war ich also öfter in diesem Stadtviertel. Aus meiner Sicht lässt sich im Großen und Ganzen nicht viel aussetzen an Solln. Es hat seine Vorteile (für mich), - die da wären: ein Bäcker, der einen hervorragenden Mandel-Schoko-Kuchen macht, ein gut sortiertes Öko-Gemüsegeschäft, überhaupt viele kleinere Läden aller Art und natürlich, - wie schon erwähnt, die Arztpraxis mit einem wunderschönen Wartezimmer im Jugendstil…ach ja, und ein gut geführtes Krankenhaus. Das Viertel ist gepflegt, mit viel Grün und netten Häuschen von kleinerer und größerer Dimension. Auch im angrenzenden Sendling habe ich mittlerweile einige Anlaufstellen aus dem Einzelhandel gefunden, die einen Abstecher wert sind…aber ich bleibe mal bei Solln und seinen doch recht speziellen Einwohnern:

 
Es gibt überdurchschnittlich viele Senioren. Man sieht häufig rüstige alte Damen, in teure Gewänder gehüllt, die auf den ersten Blick recht freundlich wirken, sodaß man Lust bekommt sich mit ihnen zu unterhalten. Dies habe ich dann auch versucht, - im Wartezimmer der Arztpraxis, beim örtlichen Kassenautomaten am Parkplatz, beim Bäcker, quasi „über den Gartenzaun“ bei kurzen Spaziergängen. Dabei musste ich leider feststellen, dass sie meist zwar höflich, aber eben doch nicht wirklich freundlich waren und eher reserviert, ablehnend und unnahbar reagiert haben, als würden sie sowohl mich, als auch den ganzen Vorgang höchst seltsam finden. Möglicher Weise traf ich nicht den „richtigen Ton“ und sie merkten, dass ich nicht dazu gehöre. Möglicher Weise waren sie nur überrascht, weil etwas derartiges nur selten passiert, in Solln. Das stört mich nicht zu sehr. Aber das ich beim Bäcker ignoriert werde wenn ich nicht in die Offensive gehe, weil ich nicht zum „Hood“ gehöre, schon.

 
Alles dauert in diesem Stadtviertel länger, ist langsamer…so auch die Autofahrer, die sich durch kompromisslose Sturheit auszeichnen, die bisweilen in entschlossene Aggressivität umschlägt. Da gibt es Linksabbieger, die an der Nadelöhr-Kreuzung beim „Alten Wirt“ keinen Zentimeter vorfahren, damit die sich stauende Autoschlange rechts an ihnen vorbei geradeaus fahren könnte… Aber wenn sie mal im Fahren sind wollen sie offenbar auch keinen Meter Grund an irgendjemand anderen verlieren. Dazu zwei Vorfälle: als ich selbst aus einem Parkplatz nach links in die Wolfratshausener Str. einbiegen wollte, wollte mich niemand rein, - bzw. die Strasse kreuzen lassen. Schließlich kam auf der gegenüber liegenden Seite keiner mehr und ein BMW-SUV war noch ziemlich weit weg, er hätte nur sein bisheriges (langsames) Tempo beibehalten brauchen…also bin ich los gefahren, um endlich abzubiegen. In diesem Moment hupt der Fahrer und gibt doch tatsächlich Gas!... Grund Gütiger! Wäre ich nur ein bisschen zu langsam abgebogen oder hätte gezögert, wäre er mir unweigerlich in die Fahrerseite gefahren…!? Beim zweiten Mal war es fast dasselbe, nur das dieser nicht beschleunigt hat, aber er hat genauso lange und empört gehupt. Ich habe inzwischen gelernt, - an dieser Stelle gibt es nur eine Möglichkeit aus dem Parkplatz raus zu kommen: schnell aussteigen und die Fußgänger-Ampel drücken, wieder ins Auto springen, anschnallen, abbiegen. Uff! Jaa, - sie lassen sich ihr Recht, - auch das auf Langsamkeit, nicht nehmen. Auf gar keinen Fall.

 
Diese Auto-Fahrer-Langsamkeit findet man auch in den Geschäften wieder, in der Post, dem Supermarkt. Es ist eine höfliche aber unverschiebbare, kompromisslose Langsamkeit, der man sich ergeben muss, möchte man nicht zum Nervenbündel werden, entnervt auf die Kuchentheke trommelnd…oder als Verkehrsopfer enden.

 
Dann gibt es da noch einen Typus: meist perfekt durchgestylte jüngere Frauen, - manchmal mit dazu passenden männlichen Begleiter. Auch die sind auf ihre Art langsam, - oh ja! Zum Beispiel beim Bestellen einer Torte. Als ich diesem Vorgang in der mittlerweile leider geschlossenen Konditorei „Kustermann“ beiwohnen musste, hatte ich danach das Gefühl diese Torte zur Welt gebracht zu haben. Ich merkte wie meine Handflächen zu schwitzen begannen, als wir uns quasi zu dritt durch mehrere Möglichkeiten der Himbeer-Gelee Herstellung kämpften. Wie meine Fußspitze sich trommelnd verselbstständigte, als man anschließend einen genauen Durchmesser sowie eine Höhe der Torte ermitteln musste. Dann, als nach weiteren, endlosen Minuten schließlich der einzig mögliche Zeitpunkt der Tortenabholung festgelegt war und gerade mein rechtes Augenlid zu zucken begonnen hatte, kam, - oh Wunder, eine zweite Verkäuferin hinzu und ich konnte sie endlich bestellen, meine „normale Semmel“… Erleichtert ausatmend wich ein ungeheurer Druck, einem Dampfkessel gleich aus meinem Haupt und für einen Moment schien ich ein paar Zentimeter über dem Boden zu schweben, als sich die Ladentür hinter mir und meiner Semmel schloss. Ich war für ein paar Augenblicke eingebettet in die Watte der einzig wahren, - der Sollner Langsamkeit. Alles würde gut werden, - die Torte war bestellt und meine Semmel konnte gegessen werden, - endlich. Niemals durfte man die Wichtigkeit einer Himbeer-Gelee-Torte unterschätzen!

 
An diesem Abend ging ich früh zu Bett. Ich fühlte mich als hätte ich an einem Marathon-Lauf teilgenommen.

 
Seither plane ich immer mindestens eine Stunde mehr ein wenn ich einen Termin in Solln wahrnehme…  J

 

BerylliumN