Freitag, 16. Februar 2018

N° 6 Das Studium - Gefängnis des Geistes?

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Wir saßen an einem runden Esstisch, vor uns ausgebreitet meine Zeichnungen und Gemälde, - mit Acrylfarbe auf Pappe gemalt, denn es waren Arbeiten für meine „Mappe“. Diese Mappe war selbst zusammen gebaut, ebenfalls aus fester Pappe, ca. 100x120cm groß und mit meinen Arbeiten gefüllt etwa 10kg schwer. Mit diesen gesammelten Werken wollte ich mich an der Kunstakademie München bewerben. Das habe ich dann auch getan…um die Mappe transportieren zu können, benötigte ich eine Sack-Karre, die ich durch die endlos langen Gänge der Akademie zu den Sprechstunden einzelner Dozenten und Assistenten geschoben habe. Die ältere Dame, mit der ich damals an ihrem Tisch gesessen bin, um ihr meine Arbeiten zu zeigen, war schon seit langem eine Künstlerin. Auch sie hatte an der Münchner Kunstakademie Freie Malerei und Graphik studiert, - natürlich lange vor mir. Ihr gefielen meine Sachen ganz gut und nach einer Weile sah sie mir prüfend in die Augen und sagte: „Wissen Sie, ein Lehrer kann einen auch vernichten.“

Damals hatte ich mir gedacht, dass diese Äußerung wahrscheinlich auf ihre persönlichen, in einigen Fällen wohl eher schlechten Erfahrungen mit Lehrern zurück zu führen war. Sie hatte mir dann auch einige negative Anekdoten erzählt, die sie während ihres Studiums erlebt hat. Eingedenk meiner eigenen Erfahrungen an der Schule, gab ich ihr damals im Stillen Recht, habe aber nicht mehr viel über ihre Aussage nachgedacht… Tja, im Nachhinein ist man immer schlauer… J

Zwar hat mich an der Akademie niemand in dem Sinne vernichtet, - ich habe ohne Zweifel auch sehr viel gelernt, aber etwas war auf der Strecke geblieben, etwas hatte sich verloren in den endlosen Gängen der Akademie… Es war der Blick auf den Kern der Sache. All die Bildung, all das Durcharbeiten, das Zerpflücken, das Nachforschen, Nachlesen und Durch - und Wiederkäuen der Materie hat mir die Sicht auf die Essenz eben derselben verstellt. Und dann die Kollegen, - all die Ansichten, die Meinungen, die Konkurrenzkämpfe… Ich hatte meine ursprüngliche Motivation, wegen der ich das Studium überhaupt begonnen habe aus den Augen verloren. Ich konnte den Grund nicht mehr sehen, meine Ziele hatten sich relativiert.

Zum Glück bin ich recht zäh und neige dazu Dinge die mir wirklich wichtig sind mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, - zur Not auch gegen mich selbst, und deshalb ist es jetzt (schon seit langem) wieder anders. Aber wenn es dem Esel zu wohl ist geht er aufs Eis…ich hatte vergessen wie es damals gewesen ist und zog in Erwägung noch einmal zu studieren, - Geologie vielleicht, auf Umwelttechnologie schielend, oder Biologie. Dann habe ich mir die Aufnahmebedingungen und die Beschreibungen der Studiengänge durch gelesen und da war es wieder…meine Erinnerung kehrte zurück. Zum Glück!

Mir war mit einem Schlag klar durch welch eine Zeit – und Energie fressende Masse von Detail-Wissen ich mich würde kämpfen müssen, über viele Jahre, ehe mich jemand auch nur annähernd ernst nehmen würde in meinem Fach. Es würde eine Ewigkeit vergehen, bis ich einen entsprechenden Beruf ergreifen dürfte. Bis dahin hätte ich vermutlich ein weiteres Mal meine Ideen und Visionen vergessen und/oder selbige hätten sich relativiert unter der erdrückenden Last des kleinteiligsten Wissens, das es nur an Universitäten im Angebot gibt, - und in einigen Fachlehrgängen und Meisterschulen, aber da ist der Weg kürzer.

 
Das Projekt „Studium 2.0“ habe ich also fallen gelassen und bin erst mal Spazieren gegangen. Dabei habe ich mir gedacht, welch ein Segen anerkannter Quereinstieg seien könnte! Es wäre sicher eine Bereicherung für die Universitäten, wenn sie offener wären für den Austausch mit interessierten Menschen aus ursprünglich anderen Branchen (oder Bildungszweigen), die unerwartete Ideen mitbrächten. Man könnte sicherlich tolle Projekte in Angriff nehmen, unter Abgleichung von akademischen Fachwissen und praktischer Erfahrung, - oder vielleicht auch nur simpler Erkenntnis, weil man die Zeit hatte sich wirklich mit einem bestimmten Teil – Thema zu beschäftigen, ohne erst sämtliche Grundbausteine büffeln zu müssen und so eine zündende Idee geboren werden konnte. Denn wirklich: ist man erst einmal unterwegs in den langen Gängen der Hochschulen, - den metaphorischen und den tatsächlichen, sieht man mit unter den Wald vor Bäumen nicht mehr, man verliert den Blick für das Wesentliche, im schlimmsten Fall das Vertrauen in die eigenen Ideen.

 
Das Dilemma setzt sich im Berufsleben fort, denn man muss ja unbedingt ein entsprechendes Abschluss – Papier vorweisen, wenn man sich für bestimmte Berufe bewerben will…Ideen hin oder her…was einen dann wieder zur Universität führt.

 
Es scheint fast so, als würden die Wissen Vermittelnden und die Wissen Anhäufenden auf diesen „Schätzen“ sitzen und sie eifersüchtig vor Außenstehenden hüten und verteidigen, wie Golum seinen Ring der Macht, damit niemand, der sich nicht erst all das Detail – Wissen hat einverleiben müssen zum Zuge kommt.

Wie wenn man sich ein Schiffmodell kauft und es an jemanden vorbei trägt, der gerade dabei ist dasselbe Modell eigenhändig zusammen zu bauen…. :-D 
 
BerylliumN
 
 
 
 
N° 6  University = Mind Trap?                                        
 
 
 
We sat at a large dining table, the whole surface of it covered with my drawings and paintings, - acrylic paint on cardbord. Material for my application portfolio which also consisted of cardboard and was hand made by myself. I couldn’t find one in the shops which was big and solid enough to support the weight and size of my paintings: most of them 100x120cm tall and altogether weighing around 10kg. With this collection of work I applied at the Academy of Fine Arts, Munich to get a permission for a free painting class, preferably with a professor who also was a “free painter”, but I was willing to compromise regarding to that. After all, what counted the most was to get in, no matter what.
 
However, in order to be able to show my portfolio to any professor or assistant in this spacious and venerable building, I needed a barrow, which I pushed through endless corridors with a lot of what is called “confidence and determination”.
 
The elderly Lady with whom I was sitting at her table to show her my work and get her opinion already had been an artist for a lifetime. She had studied free painting at the Munich Academy decades ago. I was pleased that she liked my work and after a while she gave me a long, scrutinising look and said: “ You know, a professor can also crush a student...”
 
Back then I considered her remark a result of ugly episodes with her teachers and professors. As a matter of fact she did tell me some negative anecdotes about her time at the Academy. I remember that I agreed with her in many aspects, having my own experiences at secondery school in mind. But I didn’t give it a second thought then, for I was all eager to become an art student. Well, - in retrospect we always know better... J
 
Well, I’m glad to report that nobody really crushed me there. I actually learned quite a lot, but nevertheless something went missing on the way, got lost in those endless corridors of the Academy of Fine Arts, Munich...it was the feel for the essence of the whole endeavour. I forgot about my primary urge which brought me there, - the urge to paint. Somehow I forgot about art while studying it. All the education, the research, the tearing apart and putting back together again, all the discussing, the reading about art philosophy and different aspects of painting got in my way and made me blind for the complexity of its real sense. And then my fellow students… all the competition, the differences, the fighting over positions and opportunities to show one’s work...exhausting.
 
Luckily I can be quite tenacious and tend to hold on to things which mean a lot to me, - if need be even against myself. That’s why, over the years, I re - discovered what art meant to me and it’s also the reason why I’m still painting until today.
 
But sometimes if you feel too comfortable with your current life you get ideas... So I thought about going back to university to get a degree in Microbiology or Geology, - obviously I had forgotten how it was like at the Academy. But alas, while reading the conditions of admission, my ability to remember events returned and it hit me on the head: I saw the time and energy consuming effort it would take to store a huge amount of detailed knowledge in my brain. And it would take ages until I was finally allowed to apply for a job. Before I got there in the end, I will presumably have forgotten about my visions and ideas in this area again. Everything would get modified in the harsh grip of too much data, too much detail, - knowledge overloaded...beware! (imagine a red blinking alert button and ears slicing beep sound). You only get this whole load at universities, in Germany maybe also at schools where you can get your “Meister” as a craftsman, - but in a considerably shorter time.
 
So I dropped the project “Science Degree” and took a walk in the local wood...or maybe I should say forest, because I’ve been told the primary purpose of it is its economic viability. However while walking, I reflected on the benefits of fresh visions from people who aren’t numbed by too detailed knowledge or too intimidated to bring up a new idea which is not yet proved. Universities could certainly profit by fresh input from people who aren’t completely into a certain field of knowledge or haven’t entirely finished their studies, for they might see something beyond the academic approach. Also, if it was possible to do crossover projects with people who come from another professional or scientific background it might add a great deal of comprehension for a matter by including a different point of view, or perspective. Certified qualification shouldn’t be the one and only prove for the ability of a person to think, to have brilliant ideas, or draw conclusions. Insightfulness doesn’t necessarily come with an academic degree. For, honestly, - once you are on your way through those endless corridors of a university, metaphorically and for real, you might loose your faith in your own ideas and you are in danger to see only the trees, but not the forest anymore. Additionally, it would be a big step towards universality and widen the dimensions of thinking. After all, nothing is more enlightening than an unexpected moment of genuine surprise, - is it? J
 
It often is much the same with other professions: you either get a proper certification or you wouldn’t get a job...or be heard even.
 
Sometimes I get the feeling as if those who have and provide knowledge together with those who got the recognised permission to receive knowledge from them, sit on it like a dragon on his treasures, guarding and defending it with teeth and claws, in order to let nobody else get a chance to achieve something. It’s like a law: you go through the treadmill first! Then maybe you’ll get an opportunity to add something. Get your mind trapped first, then we shall see!
 
 
BerylliumN    
 
 
    
 
 
 

 

 

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