Freitag, 30. März 2018

N° 11 Aus Kindertagen // From Childhood Days

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Als Kind konnte man nicht immer tun und lassen was man wollte. Es gab feste Regeln man musste sich in Tagesabläufe fügen, die zum großen Teil von anderen festgelegt wurden. Kein Wunder also, dass es Leerläufe gab, dass man irgendwo auf etwas warten musste. Man hatte ein Stückchen freie Zeit, das aber zu kurz war um ernsthaft etwas anfangen zu können was sinnvoll wäre oder Spaß gemacht hätte. Also saß man rum und starrte vor sich hin, - der Kopf wurde leer und ein angenehm entspanntes Gefühl breitete sich aus. Man musste gar nichts dazu tun, - es geschah einfach. Zugegebener Maßen passierte dasselbe mitunter auch während des Unterrichts, was unangenehme Folgen haben konnte…aber wie gesagt, es geschah eben einfach: wumm, auf einmal trat geistige Leere ein und die Gedanken wanderten scheinbar ziellos umher, suchten sich ihre eigenen Plätze zum Verweilen, wie ein Spaziergänger der sich der Muße überlässt und sich grad dann auf einer Parkbank nieder lässt, wenn es ihm unmittelbar in den Sinn kommt. Oft waren das Orte an die man immer wiederkehren musste, im Turnus des Wochenplanes, und so wurde einem dieser Ort zu einer Art Ankerplatz, an dem das Schiff des durch geplanten Lebens zum Halten kam und gelassen in den Wellen schaukelte, während sich die Besatzung aus Gedanken auf einem zwanglos ungeplanten Landgang vergnügte. So wurden einem diese Orte zu Freunden. gerade wenn es einem nicht so gut ging, oder Kopf zu voll mit allem Möglichem war, spendete das stille Dasein der Gegenstände um einem herum Trost und Frieden. Es war tatsächlich eine tiefe Entspannung damit verbunden scheinbar sinnlos auf irgendein Eck zu blicken…das „Mit-diesem-Ort-Sein“ gab Halt und Ruhe.

Jetzt merke ich,  dass sich diese Orte und Gegenstände tief in mein Gedächtnis eingeprägt haben. Ein paar Beispiele: ich kann mich noch sehr deutlich an die Rille in der braunen Oberfläche erinnern, die das obere Ende des Schultisches säumte. Ich habe auch noch den Geruch des lackierten Holzes in der Nase und wie sich die glatte Oberfläche angefühlt hat.

Dann kann ich mich noch sehr gut an die blauen Vorhänge im Wohnzimmer erinnern und wie ich viele Stunden zu ihnen hinüber gesehen  und gewartet habe bis das spärliche Tageslicht endlich mehr wurde und die Zeit näher rückte zu der ich aufstehen durfte.

Es gibt zahlreiche solcher Orte, - oder besser Örtlichkeiten: Stahlkanten an Bushäuschen, Rückenlehnen von Schulstühlen, Muster im Asphalt von Gehwegen, Baumreihen, Zimmerdecken, etc…

Als Kind weiß man sie nicht zu schätzen, diese „sinnlose Wartezeit“. Man merkt nicht wie gut sie einem tut. Man ist sich nicht bewusst, wie leicht und schön es ist, sich in einem vorgeschriebenen, festen Tagesablauf eingebettet zu wissen. Man weiß die Kostbarkeit dieser Orte nicht zu würdigen und kennt den Reichtum nicht, der einem mit der Zeit für Kontemplation und sinnloser Leere geschenkt wird.

Als Erwachsener versucht man Leerläufe stets zu vermeiden, immer ist man mit irgendetwas beschäftigt und will jede Minute sinnvoll nutzen. Zudem wird stets hinterfragt was man tut oder nicht tut. Als Kind oder Jugendlicher hinterfragt man nicht ständig, man tut was einem gesagt wird – noch hat man nicht immer die Wahl.  

Zum Glück habe ich diese spezielle Art geistiger Leere für mich wieder entdeckt, - zusammen mit einigen nicht hinterfragten Regelmäßigkeiten. Und zum Glück stellt sich mit dieser Leere die gleiche tiefe, wohltuende Entspannung ein wie damals. Heutzutage kann ich diesen Vorgang sogar bewusst genießen: die Kante von unserem Bürotisch ist einfach wunderbar! Das frühe Tageslicht durch das Rechteck meines Dachfensters betrachtet, - einmalig!... Jeden Morgen aufs Neue! Oder wenn man nicht bemerkt dass man seinen Tee aufgießt, während man ihn aufgießt, - unbezahlbar!


 BerylliumN

 




N° 11 From Childhood Days





As a child we couldn’t always do what we wanted. There were rules to obey and we had to stick to a daily routine which was imposed on us by others. This often left but small gaps in the timetable with nothing to do, unfortunately those times were usually too short to get something started which was real fun. So we simply had to hang around and kill time...and I do remember that very well: those times when I just stood or sat somewhere, waiting, staring into empty space or with my eyes fixed on some random object without really seeing it. Then “it” happened, - my mind got empty and a peaceful feeling of calm took over. Well, admittedly “it” sometimes also happened during lessons with rather unpleasant consequences... J But nevertheless a kind of mental peace was created within which my mind could wander aimlessly and my thoughts were allowed to find their own spaces to linger, like somebody who is taking a stroll through a park and without being aware of making the decision to take a break, he suddenly finds himself sitting on a bench.
Those spots often were places where I had to return to on a regular basis and wait, they were attached to the weekly schedule and its routine. Throughout term the spots became safe harbours of mental freedom to me in a thouroughly planned, structured life. They were places free of force and pressure where my mind could drift equanimously on metaphorical ocean waves like a ship, which the crew and the captain had abandoned. These spots and its surroundings became companions, especially on days when I didn’t feel so good or something troubled me which, - needless to say, was often the case during growing up.
The stillness and solmn peacefulness of those locations had a deeply soothing and calming effect on my psyche, to simply be with the things around me created space in space. Even time stretched itself and I could catch my breath. Now I realise that those sights of my childhood days got imprinted deeply in my memory, for instance: the gouge at the top end of my school desk together with the feel of the varnished surface of it. I also remember the colour-nuances of the blue patterned curtains in my bedroom when the first light of dawn was shining through them and I was waiting for the time when I could get up and start a weekend day...there are so many of these spots: steely edges of busstop shelters, backs of school chairs, patterns in street pavings, tree rows, room ceilings, etc..
As children or teenager we don’t appreciate such places or seemingly pointless idle times. We don’t see the plus side of beeing enbedded in a structured timetable with hardly any responsibilities or the worrying freedom to be able to choose at all times. We don’t recognise the value of these little treasures in time in space where we can get back to ourselves and put our minds at rest. As a grown up person one always tries to avoid gaps in a schedule in order not to “waste time”. We are constantly busy with something, we try to squeeze efficiency out of every single minute of our days. Additionally we keep questioning ourselves and what we are doing all the time, - because we are entirely our own responsibility. As children of course we didn’t have to do that, we simply did as we were told.
Lucky me, I recently re-discovered this special kind of spiritual emptiness along with some unquestionable routines. And luckily I am able to find the very same feeling of deep, soothing and refreshing peacefulness and relief, as I did in the past. Nowadays I even can enjoy this state consciously...the edge of my office table is wonderful! The early morning light seen through my rectangular rooflight, - fantastic!...and it’s there every morning! Or not realising that I’m brewing a cup of tea while I am brewing it, - priceless!


 BerylliumN
 






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