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Kürzlich hatte ich eine gute
Stunde Leerlauf zwischen zwei Terminen in München. Es war ein schöner Tag, die
Sonne schien ohne dass es zu heiß war, und so habe ich es mir auf einer
Parkbank bequem gemacht, mit Buch, Wasserflasche und Sitzkissen aus dem Auto.
Allerdings ist nichts von dem was meine Augen auf dem Papier verfolgt haben
auch wirklich bis in mein Gehirn vorgedrungen, denn kurz nachdem ich mein Buch
aufgeschlagen hatte drangen Stimmen vom Nachbargrundstück zu mir, laut und
deutlich… Wenn ich mich nicht wegsetzen würde, wären sie auch nicht zu
ignorieren gewesen. Das wollte ich aber nicht, denn mir gefiel mein Platz… Die
war der Punkt, an dem mein aktives Denken sich von selbst abgeschaltet hat.
Mein Verstand hat mir einfach vorgetäuscht ich würde weiter lesen und meine
Ohren auf Autopilot geschaltet.
Drüben auf der anderen Seite
der Buchen-Hecke ging es um Hilfe, - zumindest scheinbar. Die eine Stimme, -
männlich, älter aber fest, gehörte offenbar dem Hausbesitzer. Die zweite,
jüngere Stimme dessen Neffe namens Ben, seines Zeichens „der Helfer“. Ich
schätzte ihn auf ca. Mitte 20. Zunächst sagte der Onkel, daß er froh sei
zumindest eine Person gefunden zu haben die ihm mit dem Garten helfen wolle, -
man könne ja im Alter leider Vieles nicht mehr selber machen und sei von daher
auf Andere angewiesen…usw. Darauf folgte eine längere Rede in ärgerlichem bis
jammernden Tonfall über die ansonsten so mangelhafte Hilfsbereitschaft jüngerer
Generationen Anschließend ging es noch um die Unzuverlässigkeit und
Nutzlosigkeit von Gärtnern, sowie die schlechte Arbeitsmoral der Menschen in
der heutigen Zeit. Vom Neffen war nur hin und wieder ein möglichst
indifferentes Brummen zu hören. Vermutlich wußte er, daß er sowieso nicht zu
Wort kommen würde…
Nach kurzer Stille wurde das
Zurückschneiden und in Form bringen diverser Sträucher in Angriff genommen. Der
Onkel gab kurze und knappe Anweisungen wie er die Arbeit erledigt haben wollte.
Dabei war er anscheinend nie zufrieden wie sein Neffe seine Befehle ausführte:
„ Neiin Ben!! Nicht so viel auf der rechten Seite! Siehst Du das denn
nicht?!...Ja, - so ist es einigermaßen ok. Und jetzt muß man natürlich da
drüben noch was abschneiden…Nein! Nicht DIE Zweige…weiter oben! Mensch! Jetzt
denk doch mal mit!! Das ist doch klar…die muß man stehen lassen, sonst gibt es
doch da ein Loch!“ Kurzes Schweigen, dann: „ Herrje, jetzt hast Du die Leiter
so dumm hingestellt daß die Rosen abgebrochen sind! Pass doch mal besser auf!“
Wieder kurzes Schweigen, dann: „Naja, so kann man ihn erst mal lassen. Geht
halt nicht besser mit Dir…“
So ging es noch viele Buchseiten
weiter (etwa 45 Minuten). Während der ganzen Zeit hat man vom Neffen so gut wie
kein Wort gehört. Bei den ungeduldigen Anweisungen des Onkels war kein einziges
Mal ein „Bitte“ oder „Danke“ zu hören. Die nörgelnd-fordernde Tonlage, in der
die Anweisungen des Onkels vorgebracht wurden, verschlechterte auch meine Laune
auf der anderen Seite der Hecke (was ich erst später bemerkt habe).
Dann plötzlich hörte der
Onkel mitten im Satz auf zu sprechen und nach einer kurzen Pause klang seine
Stimme nicht mehr nörgelnd, sondern aufgeregt: „…was machst Du da?! Ben?? Wo
gehst Du hin?! He, halt! Du kannst doch nicht einfach so abhauen…! Hallo?! Und
wer macht jetzt den ganzen Rest??! Ben!!!“ Die Stimme des Onkels entfernte sich
bei den letzten Ausrufen ein wenig in die andere Ecke des Grundstücks, -
vermutlich in Richtung Ausgang oder Haus. Danach: Stille.
Mir war, als hätte man mich
mitsamt Sitz per Knopfdruck aus einem Theaterstück geschleudert. Und nun saß
ich da, - auf einer Parkbank umgeben von Stille, im Grünen mit einem Buch in
der Hand…seltsam. Ich klappte das Buch zu, legte es neben mich auf die Bank und
nahm erst einmal einen tiefen Schluck Wasser. Zu meinem Erstaunen mußte ich
feststellen, daß ich ein bißchen aufgeregt war…und schlechte Laune hatte. Ich
fing an zu überlegen was ich da gerade miterlebt hatte. Ich stand auf und
blickte (das erste Mal) über die Hecke. Man konnte einen zu zwei Dritteln in
Form geschnittenen Strauch sehen und die Spitze einer Aluminium Klappleiter.
Der Neffe war also weg. Er hatte genug vom „Helfen“. Wie ich mich mit einem
Seufzer wieder auf die Bank setzte und meine Nerven anfingen sich zu erholen,
wurde mir klar, dass es sich bei dieser Sache gar nicht um „Hilfe“ gehandelt
hatte. Ben war benutzt worden. Er hatte wie ein Roboter Befehle empfangen und
ausgeführt. So wie der Onkel mit ihm umgegangen war, hatte er seinen Neffen wie
einen verlängerten Arm seiner selbst bewegen wollen, damit die Gartenschere in
dessen Hand präzise an den Stellen Zweige abzwickte, wo er es wollte. Er hatte
ihn auch kein einziges Mal nach seiner Meinung gefragt oder sich nach dessen
Befinden erkundigt, oder sonst irgendeine Form von dualer Kommunikation
gesucht. Der Onkel war der Benutzer gewesen, - der „Anwender“. Der Neffe der
Benutzte, - das Werkzeug.
Auch ich habe in meinem Leben
schon oft Situationen erlebt, in denen eine andere Person versucht hat mich in
die Rolle eines Roboters zu zwingen. Keine schöne Erfahrung. Je nachdem diese
Person war und was genau meine zu erledigende Aufgabe sein sollte, habe ich
dies temporär akzeptiert. Aber was mich daran wohl am meisten ärgert und
abstößt ist, dass so etwas meist unter dem beschönigenden Titel „Hilfe“
geschieht.
Anschließend habe ich mich
gefragt, worin sich Hilfe oder helfen von einer Robotertätigkeit unterscheidet:
Hilfe beinhaltet für mich, daß die andere Person bereits etwas tut, was nicht
ganz gelingen will oder alleine für diese Person nicht zu schaffen ist. Ich
verstehe Hilfe als eine Form der Unterstützung bei etwas. Die Person, der
geholfen wird ist also auf jeden Fall aktiv an dem Geschehen beteiligt.
Außerdem findet Hilfe
gewöhnlich auf freiwilliger Basis statt und ist kostenlos. Dementsprechend
setze ich voraus, daß die Person der ich helfe meine Unterstützung zu schätzen
weiß und mich mit Respekt behandelt…was der Neffe Ben anders erlebt hat. Das
heißt natürlich nicht, daß ich demütige Dankbarkeit erwarten würde, - aber
zumindest ein Bitte, ein Danke und einen angemessenen Tonfall. Sicherlich keine
Herabsetzungen, Respektlosigkeiten und Nörgeleien. Hilfe ist eben freiwillig
und NICHT selbstverständlich.
Roboter hingegen sind
produzierte, maschinelle Hilfsmittel, - eine Hebehilfe etwa, oder ein
„verlängerter Arm“. Roboter sind eine Form von Werkzeug, dem man keinen Respekt
entgegen bringen muß, oder sich bedanken…man benutzt sie einfach. Respekt
gebührt dabei höchstens dem unbekannten Dritten, der es hergestellt hat, der
Energie und dem Material das dafür verbraucht wurde. Also wieder Mensch und
Natur.´
Ein als Roboter benutzter
Mensch kommt einem Sklaven gleich, der für seine Mühe weder Lohn noch Respekt
bekommt, die Launen seines „Besitzers“ ertragen muß und keinerlei
Mitspracherecht hat.
Dann gibt es noch eine
weitere Kategorie: der Lohnarbeiter. Auch hier wird natürlich Respekt und
Wertschätzung erwartet…und eben Lohn, aber keine Dankbarkeit und nicht
unbedingt Mitsprache. Aber auch das traf auf den Neffen nicht zu.
Ich finde er hatte Recht
einfach alles liegen und stehen zu lassen. Leute wie der Onkel sollten für
Arbeitsleistungen bezahlen und nicht „Hilfe“ einfordern, oder sich einen
Roboter anschaffen. Eine seelenlose Anhäufung von Material, Mechanik und
Technologie, ohne Gefühle oder eigenen Willen. So einen Roboter könnten sie
dann den ganzen Tag nach Gutdünken steuern und wenn gewünscht auch beschimpfen.
Wenn er einmal nicht mehr funktioniert müßten sie ihn in Reparatur geben und
dafür erst einmal bei einer Hot-line anrufen und in der Warteschleife bleiben… J
Ich finde, solche Roboter
können gar nicht früh genug erfunden werden, damit Leute die sich bemühen ihre
Sachen selber zu erledigen und Unterstützer mit Respekt behandeln, ihre Ruhe
vor selbsternannten „Schwachen“ haben. J
BerylliumN
N° 26 User
Recently I've had about an
hour and a half of a free period between two appointments in Munich.
It was a beautiful late summer's day with lots of sunshine but not
too hot to stay outside, so i went into a park and chose a bench
close to a hedge with a tree nearby. I also brought a book, a bottle
of mineral water and a cushion from my car. It was quite comfy there.
Unfortunately I didn't get a word of what my eyes took in from the
pages. For shortly after I opened the book, I heard voices from the
other side of the hedge...in order to avoid overhearing the
conversation Iwould have had to abandon my spot...but I didn't want
to, bacause it was cosy... This was the point where my active,
conscious thinking switched itself off. My brain simply pretended to
keep reading while my ears went on autopilot.
The conversation was about
„help“, - at least it seemed so... One of the voices, - male,
elderly but firm belonged to the landlord. The second voice (also
male) sounded quite young, maybe a man in his twenties and apparently
was the voice of the nephew called Ben, who was to be the „helper“.
The uncle said to Ben that he was glad there was at least somebody
who was willing to help him out with the garden work, emphazising the
disadvantage of his age and the consequences of it, e.g. not being
able to do it all alone and being depend on other people.
Subsequently he expressed his anger towards craftsmen in general and
gardeners in particular, who were in his regard completely unreliable
and useless and far too expensive. After that he complained at length
about the lack of support and respect for elderly people in younger
generations. During all this I heard but a grumble or a little grunt
from the nephew...presumably because he knew he wouldn't get a word
in anyway.
Finally the actual work
started: the cutting and trimming of shrubs and trees. The uncle gave
instructions and orders in a harsh tone, but obviously Ben just
couldn't get anything right of what his uncle demanded: „No Ben!!
Not that much on this side! Don't you see that?...Alright. I guess
this must do... Now you'll have to clip them on the other side as
well. It's obvious, isn't it??!...No! Not the twigs up there! Good
gracious, lad! Think! There will be hole if you go on like that!“
Short silence, then: „ Oh for goodness sake! Look how you put this
ladder in my flower-bed! You broke two roses! Can't you watch out a
bit??!!“ Short silence again, then: „ Well. Alright... I think we
can leave it at that for now...it won't get any better with you
anyway...“ It went on like that for several pages of my book
(maybe around 45 minutes). I didn't hear much from Ben. Along with
his impatient instructions the uncle never said as much as „thanks“
or „please“. I remember feeling bad on my bench, - as if there
were clouds in the sky...but there weren't any.The nagging and
demanding of the uncle's voice made me angry (which I realised only a
bit later on). Then suddenly, the voice of the uncle stopped in
mid-sentence and I heard him exclaim with indignation: „ What are
you doing?! Ben?! Where are you going? Stop! You can't just leave
like that?! We are not finished with the garden!!! Then excited
mumbling after longer silence: „ ...and who is going to do the
other trees and the hedge? What a little bastard! Damn!“, the voice
trailing off towards another corner of the garden (presumably the
exit or the house). Then silence.
I felt like I've been
hurled out of a screenplay at the push of a button. And now I was
sitting there on a bench in a park, surrounded by green, the sun
shining brightly. Suddenly it was so silent, it felt akward. I looked
down at the book in my lap...and consciously realised I had one. I
put it aside and exhaled. What had just happened? Why did I feel
slightly agitated and aggressive? I took a deep draught from my
bottle, stood up slowly and turned towards the hedge. The only thing
I could see from my point of view was a rather big shrub with two
thirds of it trimmed neatly...and the top of a step-ladder. The
nephew was gone. H e must have had enough of the helping-business.
The uncle was gone too.
As I got back on my
cushion to recover from that particular theater show, it became clear
to me that what I'd just overheared has had nothing to do with
„help“. Ben had been used like a robot executing orders. The way
his uncle had treated him was like someone would use a tool or a
mechanic gadget, like an extended arm for inastance, with a
hedge-trimmer on it's end. He didn't really want help, - he wanted
something else. So he never bothered to ask his nephew for his
opinion or wether he was doing ok, neither did he look for any kind
of real mutual communication. He was the user, - Ben was the
exploited tool or robot.
I've had experiences like
Ben in my life, like most of us propably. Situations where another
person pretended he or she needed my help, but really tried to impose
the role of a robot on me. Not a pleasant experience. Depending on
who this particular person was and what he/she wanted me to
accomplish, I temporarly accepted this part. But there always was a
specific reason why it struck me as appalling and loathsome: the
hypocrasy of it. Because it came in the disguise of something
positive – help. Afterwards I questioned the difference between the
use of a robot and asking help of another person:
well, „help“
implicates the other person to participate in the action. Help means
somebody cannot finish somethingon his or her own, or deal with
something without support. But in any case the one who gets the help
is an active part of the scenario.
Apart from that help is a
voluntary action and for free. So at least my support should be
valued and I as the one who does the job should be treated with due
respect...all of which certainly didn't happen to Ben. Of course this
doesn't mean people have to show humble gratitude or something like
that. but simple signs of politeness like saying „thanks“ or
„please“ instead of scolding or harassment, belittlement or
nagging...for,
help is not to be taken
for granted.
Robots on the other hand
are produced things, - machines without a will of their own or
feelings, a mere tool, like a prolonged arm. We don't have to be
polite or respectful to them. We might consider the energy and
resources which went into them in the production process, but it is
ok to shout abuses at them... :-)
To use a human being like
a robot means treating it like a slave, who gets no payment or
appreciation in returrn and who has to endure the moods of his or her
owner in silence. He does as it is ordered, no questions asked.
Then there is another
category: the payed worker. But also in this case appreciation and
respect is due and payment of course! Not necessarily gratitude or a
voice in matters, but valuation. This didn't happen to Ben either.
Considering all this, I
think he was right to resign and just leave. People like his uncle
should get a bill and pay for manpower and not ask for „help“. Or
they should get a robot, made without soul or feelings, a mere tool
for people like the uncle who can boss it around all day long and
shout at it. And when it breaks he would have to hand it in at a
store to get it repaired. But first he would have to make a phone
call for an appointment there...and end up being put on hold for
hours... :-)
I think robots cannot be
produced soon enough, so that people who really put an effort in
getting their things done on their own and treat helping volunteers
with appropriate respect and kindness. And with the help of the
robots these people wouldn't be pestered, insulted and bossed around
anymore by self-proclaimed „frail“ fellow-citizens.
BerylliumN